Wehrlose Bürger in Norwegen

Von , 27. Juli 2011 18:06

Artikel von Eva Ziessler
http://evaziessler.wordpress.com/

Nein, ich werde das „Manifest“ des norwegischen Killers nicht lesen, auch nicht in Auszügen. Mich interessiert nicht, was sich dieser Mann seit zehn Jahren oder länger in seinem Kopf zurechtgesponnen hat. Mich interessiert nicht, ob er Hitler und Marx und John Stuart Mill gelesen hat und was er über sie denkt. Oder ob er den „Unabomber“ plagiiert hat.

Ich will auch nicht wissen, welche Blogs er gelesen hat und ob er rechts, links oder einfach nur schief gewickelt ist. Und seine Kindheitserfahrungen sowie sein möglicherweise daraus in irgendeiner Weise resultierender Geisteszustand sind für mich ebenfalls irrelevant. Kurz gesagt: Was diesen Menschen zu seinen Taten motiviert hat, interessiert nicht—und es sollte auch für die Mehrzahl aller anderen Menschen nicht von Interesse sein. Mit der Ausnahme vielleicht der sehr kleinen Zahl der zuständigen Strafrichter und Psychiater, die sich nach den Regeln des Strafverfahrens im Rechtsstaat mit ebendieser Motivationslage des Täters zum Tatzeitpunkt von Rechts wegen beschäftigen müssen.

Mich interessiert nur Eins: Kann dafür gesorgt werden, dass potenzielle Täter mit solcher Motivationslage -Menschen also, die den Wunsch hegen, andere Menschen zu verletzen und zu töten-, möglichst ganz auf den Bereich des Potenziellen beschränkt werden? Oder, anders gewendet: Kann das Ausmaß des Schadens bei der nie absolut zu verhindernden Umsetzung solcher Tötungsphantasien in die Tat begrenzt werden? Die Antwort auf diese Frage lautet „Ja“! Wenigstens das Ausmaß solcher Taten –die Zahl der Toten- kann in relativ engen Grenzen gehalten werden: Durch die Aufhebung des Waffenverbots für erwachsene Bürger.

Die Entwaffnung friedlicher Bürger durch den Staat ist es nämlich, die uns in umfassender Weise wehrlos gegenüber solchen Tätern macht und es ihnen erlaubt, wie in Norwegen, ungestört und ungehindert eineinhalb Stunden lang ein Gemetzel unter 700 vollkommen verteidigungsunfähigen Menschen anzurichten. Die amerikanische Redensart „If guns are outlawed, only outlaws will have guns” (nicht ganz treffend, aber sinngemäß übersetzt: Wenn das Waffentragen gesetzwidrig ist, dann werden nur Gesetzwidrige Waffen tragen) beschreibt pointiert, wie die Bürger durch den Staat zu wehrlosen Opfern solcher Täter werden. Und die Täter wissen das. Dieser Täter wusste ganz genau, dass seine Opfer ihm nichts entgegenzusetzen haben würden. Vielleicht wusste er auch –und hat das möglicherweise in seine Planung einbezogen—, dass darüber hinaus ziemlich viel Zeit bis zum Eintreffen der Polizei verstreichen und er deshalb der Umsetzung seiner Tötungsphantasien in die Tat in aller Ruhe würde nachgehen können. Aus seiner Sicht war das Ganze genau wie das Erschießen von in einem Käfig eingesperrten Tieren, denen niemand zu Hilfe kommen konnte.

Hätte der Täter nicht mit Sicherheit gewusst, dass kein einziger Mensch auf der Insel bewaffnet sein würde, dann hätte er das Ganze vermutlich gar nicht erst versucht, jedenfalls nicht alleine. Er hätte sich mindestens Mittäter suchen müssen, was die Sache wesentlich komplizierter gemacht hätte.

Insofern gibt es EINEN Punkt, an dem die geistigen Vorgänge im Kopf eines solchen Mordphantasten doch von Interesse sind: Der Punkt, an dem man ihn bereits zeitlich VOR dem Begehen der Tat abschrecken kann, indem er niemals sicher sein kann, wie viele seiner gewünschten Opfer ihm bewaffneten Widerstand leisten könnten—weil der Staat ihnen das Tragen von Waffen nicht verboten hat.

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